Sich gut behandeln

 


In dieser Pandemiezeit, die an keinem von uns spurlos vorbeigeht, ist uns klar geworden, dass wir unsere Verhaltensweisen und Gewohnheiten ändern müssen. Für Familien, die während der ersten Welle bei geschlossenen Kindergärten und Schulen zu Hause im Homeoffice arbeiten und gleichzeitig um den Schulunterricht der Kinder kümmern mussten, war der sogenannte Lockdown eine stressige Zeit. Wenn nun die Infektionszahlen wieder steigen, versucht man, wenigstens nicht ganze Schulen und Einrichtungen zu schließen, sondern nur einzelne Klassen bei Bedarf in Quarantäne zu schicken. Wir wissen aber nicht, wie es weiter gehen wird. Inzwischen erleben wir das was man Lockdown light nennt. Seit dem ersten Dezember gelten bei den Einschränkungen wieder neue Regeln. Private Treffen sind nur zwischen zwei Haushalten mit maximal um 5 Personen erlaubt. Kinder sollen sich einen Freund oder eine Freundin aussuchen, mit dem/der sie in Kontakt bleiben wollen. Eine meiner Enkelinnen sagte: "Das ist so unfair! Ich habe zwei beste Freundinnen. Sie können nicht verlangen, dass ich mir eine aussuche soll, mit der ich in Kontakt bleibe und spiele!“ Die meisten Menschen scheinen die vorgeschriebenen Maßnahmen zu verstehen und zu akzeptieren. Solange sie uns und unsere Lieben schützen, werden wir mit der Situation zurechtkommen. Aber so einfach ist das alles nicht.

Für die Älteren unter uns bedeutet die Corona-Zeit mehr Einsamkeit. Man will ja nicht krank werden, und bleibt soweit es geht, zu Hause, um das Infektionsrisiko zu mindern. Junge Leute, die mit sozialen Medien aufgewachsen sind, gehen mit den neuen Online-Angeboten geübt um. Aber was ist mit den Älteren, die entweder gar keinen Zugang haben oder nur oberflächliche Anwender sind? Es bleibt dann nur noch das altbewährte Telefon übrig. Vielleicht wäre es an der Zeit, wieder Briefe und Karten zu schreiben? In der Einsamkeit kann der Tag sehr lang werden. Für die Menschen in Pflege-Einrichtungen wird das alles sehr verwirrend, wenn die gewohnten Besuche ausbleiben müssen.

Für mich ist diese Zeit des langsameren Lebens heilsam gewesen. Viele Termine sind ausgefallen, und so konnte ich mich ausruhen. Ich habe gelernt, dass ich Verantwortung abgeben muss. Die Erde wird sich weiter drehen auch ohne meinen Beitrag. Oft ist es doch so, dass wir uns selbst hinten anstellen, und uns um alles andere kümmern, nur nicht um uns. Wir würden unsere Freunde nie so behandeln, wie wir uns selbst behandeln.

Die Bibel sagt uns „Liebe deinen nächsten wie dich selbst.“ Für mich heißt das, dass ich zu meinen Nächsten gut sein soll, aber auch zu mir selber. Das ist eigentlich ein ganz natürlicher Instinkt, der zur Lebenserhaltung gegeben ist. Als Christen haben wir allerdings immer wieder damit Probleme gehabt. Wir schuften oft für andere bis zum Umfallen. Dann sind wir zu nichts mehr zu gebrauchen. Wir sind ganz einfach am Ende unserer Kräfte.

Wir müssen es nicht so weit kommen lassen. Wir dürfen schon vorher die Handbremse anziehen und nein sagen. „Nein, das mache ich jetzt nicht!“ Und ich weiß selbst, wie schwer es mir fällt, diese Worte zu sagen. Wir können auch unser Leben vereinfachen. So manches, was wir als unerlässlich betrachtet haben, brauchen wir gar nicht wirklich Vielleicht ist diese Zeit, in der wir aufgerufen werden, zu Hause zu bleiben und kürzer zu treten, genau das was wir brauchen, um Zeit für Ruhe und Kräftesammeln zu bekommen. Die Bibel verheißt bessere Zeiten: “Er (Gott) wird dich wieder lachen lassen und dir Grund zum Jubel geben” (Hiob 8:21, HfA). Darauf freue ich mich.

 

Photo: Nadia Ottschofski

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