Das Rad zurückdrehen
Eine aktuelle Entwicklung in der Freikirche der
Siebenten-Tags-Adventisten in Bayern veranlasst mich, die Reihenfolge meiner
Gedanken zum Feminismus etwas umzustellen, aber ich werde in meinem nächsten
Blog auf den biblischen Feminismus zurückkommen.
Als Adventisten haben wir an die Gleichheit von Männern und
Frauen von Anfang an geglaubt, basierend auf den Worten des Apostels Paulus an
die Galater (3,28): "Nun gibt es nicht mehr Juden oder Nichtjuden, Sklaven
oder Freie, Männer oder Frauen. Denn ihr seid alle gleich - ihr seid eins in
Jesus Christus." Dies spiegelt sich in unseren grundlegenden
Glaubensüberzeugungen wider:
14. Die Einheit der Gemeinde Christi
Die Gemeinde ist ein Leib mit
vielen Gliedern, herausgerufen aus allen Nationen, Geschlechtern, Sprachen und
Völkern. In Christus sind die Gläubigen eine neue Schöpfung. Rassische,
kulturelle, bildungsmäßige, nationale, soziale und gesellschaftliche
Unterschiede sowie Unterschiede zwischen Mann und Frau dürfen unter uns nicht
trennend wirken. In Christus sind alle gleich, durch einen Geist zur
Gemeinschaft mit ihm und untereinander zusammengefügt. Wir sollen einander
dienen, ohne Voreingenommenheit und Vorbehalt. Weil sich Jesus Christus in der
Schrift offenbart hat, verbinden uns ein Glaube und eine Hoffnung – das
bezeugen wir vor allen Menschen. Diese Einheit hat ihren Ursprung im Einssein
des dreieinen Gottes, der uns als seine Kinder angenommen hat.
Adventistische Frauen nahmen von Anfang an ihren
gottgegebenen Auftrag an und trugen auf vielfältige Weise zur Entwicklung der
Gemeinde bei. Sie wurden in den verschiedenen Bereichen ihres Dienstes als voll
gleichberechtigt akzeptiert. Leider wurden Frauen, beginnend mit dem Ende des
Ersten Weltkriegs, allmählich aus Führungspositionen entfernt und durch
ordinierte Pastoren ersetzt. Frauen fanden sich mehr und mehr am Rande wieder,
obwohl die Kirche immer noch an die Gleichberechtigung der Geschlechter
glaubte.
Als internationale Kirche haben wir viele verschiedene
Kulturen innerhalb unserer Mitgliedschaft, und in einigen Kulturen war/ist das
Patriarchat stärker ausgeprägt als in anderen. In der westlichen Welt, in der
ich aufgewachsen bin, wurden Frauen und Männer als gleichberechtigt behandelt.
Die Texte des Apostels Paulus wurden in ihrem Kontext so interpretiert, dass
sie sich auf lokale Situationen in der Gemeinde zu seiner Zeit bezogen. Ich
habe nie eine Predigt über "die Unterordnung der Frauen" gehört.
Niemand hat mir je gesagt, dass ich nicht lehren oder predigen dürfe. Aber
natürlich waren einige Personen davon überzeugt, dass Frauen da
"vorne" nichts zu suchen hatten. Aber das waren nur wenige, und sie
behielten ihre Gedanken meist für sich.
In den 1970er Jahren gewann die Frauenbewegung allgemeine
Unterstützung, und viele Christen begrüßten die Gleichberechtigung der Frauen
in Haus, Kirche und Gesellschaft. Zur gleichen Zeit kam in der evangelikalen
Welt in den USA der Gedanke auf, dass die Forderung nach der Unterordnung der
Frau Teil der Schöpfungsordnung sei. Männer, so erklärten sie, wurden
geschaffen, um zu herrschen, und Frauen wurden geschaffen, um zu gehorchen.
Evangelikale Leiter begannen, einen voll entwickelten Rahmen für den
Komplementarismus zu fördern. Innerhalb eines Jahrzehnts wurde dieser Glaube in
die Bekenntnisschrift der Southern Baptists aufgenommen. In dem geänderten
Abschnitt hieß es: "Eine Ehefrau soll sich der dienenden Leitung ihres
Mannes gnädig unterordnen, so wie die Gemeinde sich bereitwillig dem Haupt
Christi unterordnet. Da sie wie ihr Mann ein Ebenbild Gottes und ihm somit
gleichgestellt ist, hat sie die gottgegebene Verantwortung, ihren Mann zu
respektieren und ihm als Helferin bei der Leitung des Haushalts und der
Erziehung der nächsten Generation zu dienen." Gleichzeitig wurde diese
Unterordnung dahingehend interpretiert, dass Frauen sich allen Männern in der
Gemeinde unterordnen sollten, was ihnen das Recht nahm, zu predigen und Männer
und Teenager zu lehren.
Die adventistische Kirche hat diese Theologie nie
aufgegriffen, obwohl einige konservative Elemente sie propagieren. Professor
Samuele Bacchiocchi schrieb 1989 ein Buch mit dem Titel "Women in the
Church - a Biblical Study On the Role of Women in the Church" (Frauen in
der Gemeinde - eine biblische Studie über die Rolle der Frau in der Gemeinde),
mit einem Vorwort von Professor Wayne Grudem, einem der Hauptbefürworter der
„Headship“-Theologie in der evangelikalen Welt. Dieses Buch ist stellt eine
komplementare Theologie dar. (Frauen und Männer seien dabei zwar gleichwertig,
hätten aber unterschiedliche Rollen, wobei der Mann leitet und die Frau
folgt/gehorcht).
Nicht lange nach seiner Wahl zum Präsidenten der
Generalkonferenz im Jahr 2010 begann Ted Wilson seine Kampagne, um die
Bemühungen der Kirche zu stoppen, die Ordination von Frauen zu genehmigen. Das
Theology of Ordination Study Committee (TOSC, 2012-2014) setzte sich aus
Gegnern und Befürwortern der Frauenordination zusammen und konnte keinen
Konsens in dieser Frage erzielen. Sie kamen zu dem Schluss, dass es sich nicht
um eine theologische, sondern eher um eine administrative Angelegenheit handeln
sollte. Die Frage, über die 2015 in San Antonio abgestimmt wurde, spiegelte
dieses Ergebnis nicht wider, sondern schlug vor, dass die Bibel und der Geist
der Weissagung als Grundlage für die Abstimmung herangezogen werden sollten. Es
ging nicht um die Frage, ob die Frauenordination erlaubt ist oder nicht,
sondern darum, dass die Regionen (Divisionen) diese Frage nach ihren eigenen
Bedürfnissen entscheiden dürfen. Wie schon 1995, als die gleiche Frage aufkam,
wurde den Divisionen dieses Recht verweigert. Die Abstimmung und die darauf
folgenden Ereignisse, bei denen die Leitung der Generalkonferenz nach Wegen
suchte, die Einhaltung zu erzwingen, waren eine bittere Enttäuschung für
Menschen, die den SDA-Grundglauben Nr. 14 und die Frauenordination
unterstützen.
All diese Ereignisse haben ihren Einfluss auf unsere
Kirchenmitglieder gehabt. Viele glauben, dass die Abstimmung in San Antonio die
Frauenordination verbietet, obwohl das nicht der Fall ist. Die Bemühungen der
Leitung der Generalkonferenz, die sich gegen die Frauenordination aussprechen,
sind von Kirchenmitgliedern als Rechtfertigung für unchristliches und
diskriminierendes Verhalten gegenüber Pastorinnen und anderen Frauen in der Kirchenleitung
aufgegriffen worden.
Gemeindemitglieder, wenn auch nicht die Mehrheit, scheinen
die Vorstellung aufgegriffen zu haben, dass Frauen in unserer Gemeinde keine
Pastorinnen sein sollten. Solche Personen zögern nicht, eine Pastorin nach dem
Gottesdienst mit Worten zu konfrontieren wie: "Ich nehme an, du hast die
Bibel gelesen. Darin steht, dass du nicht predigen solltest." Andere weigern
sich, das Abendmahl von Frauen zu nehmen, die dienen. Diese Haltung hat in den
letzten Jahren zugenommen, ermutigt durch eine falsche Auslegung der Abstimmung
in San Antonio.
Der Adventistische Pressedient APD meldete Anfang Mai 2021:
„Der Exekutivausschuss der
Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Bayern hat am 25.04. beschlossen,
eine Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Die Diplompsychologin Patricia
Davis hat ihre Stelle zum 1. Mai angetreten. Damit ist sie die erste
Gleichstellungsbeauftragte ihrer Freikirche in Deutschland.
Vizepräsident und Finanzvorstand
Stefan Rebensburg stellt fest, dass das Thema der Diskriminierung aktueller
werde. Positionen, die längst überholt schienen, kämen immer häufiger vor. Sie
spiegelten zwar nicht die Mehrheit wider, aber es sei, als „würde man das Rad
zurückdrehen“. Dem Leitungsgremium der Freikirche gehe es daher um eine
„konsequente Aufklärung der Kirchengemeinden in diesem Bereich und eine klare
Vermeidung jeglichen diskriminierenden Verhaltens gegenüber Frauen in unseren
Reihen, insbesondere auch in Leitungspositionen“. Der Ausschuss sehe hier einen
biblischen Auftrag sowie die Unterstützung adventistischer Lehrüberzeugungen.
Als Psychologin berät Patricia
Davis Menschen in Alltags- und Lebenskrisen und unterstützt Familien dabei,
ihre Stärken zu entwickeln… Mit der Übernahme der Aufgabe als
Gleichstellungsbeauftragte möchte sie betroffenen Pastorinnen und weiblichen
Leiterinnen in der Kirche eine niederschwellige Anlaufstelle anbieten. „Uns
Adventisten verstehe ich als Team, das sich gegenseitig und andere emotional
wie tatkräftig unterstützt. Ein Team, in
das alle ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten einbringen, ausnahmslos und
gleichwertig, egal ob Frau oder Mann. Gott schätzt jeden Menschen ohne Ansehen
von Alter, Herkunft und Geschlecht bedingungslos, und ich möchte mithelfen,
dass unsere Freikirche ein Ort ist, wo genau das gelebt wird.
Mehr denn je, so Davis weiter,
sei die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Ortsgemeinde ein
dringendes Anliegen der Freikirche in Bayern. „Wir wollen ein
selbstverständliches Miteinander von Mann und Frau auf allen Ebenen der
Gemeindeämter fördern, damit Gemeinden ein Ort der Wertschätzung und
gegenseitigen Unterstützung bleiben.“
Eine religiöse und soziale Herabsetzung von Frauen im Bereich der
Gemeindearbeit dürfe keinen Platz haben. Aus diesem Grund sei die Anlaufstelle für
Frauen initiiert worden, die sich in ihrer Gemeindearbeit von Diskriminierung
und Herabsetzung betroffen sehen. In einem vertraulichen Rahmen könnten sie
über diese Erfahrungen sprechen und Hilfe suchen.“ © APD
Es ist so traurig, dass wir das brauchen! Aber ich bin froh,
dass sich die Kirche in Bayern dafür einsetzt, dass Pastorinnen und andere
Frauen, die ihre gottgegebenen Gaben in der Kirche einsetzen, vor
Diskriminierung geschützt werden. Gleichzeitig erkennt die Vereinigungsleitung
mit ihrem Hinweis auf die adventistischen Glaubensüberzeugungen, dass sie die Gleichbehandlung
unterstützt und weil diese Theologie gefährdet scheint, verteidigt werden muss.
Wir dürfen nicht zulassen, dass komplementäre Theologie in unsere Gemeinde
eingeführt wird. Die Kirchenleitung auf allen Ebenen sollte sich bewusst sein,
dass der Komplementarismus zu Diskriminierung und sogar Missbrauch führt.
Wir müssen die Diskriminierung von Frauen in unseren Kirchen
stoppen. Danke, Bayern, dass ihr diese Initiative ergriffen und die Führung
übernommen habt.
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