Wie ich Feminismus verstehe (5) Christlicher Feminismus


Der christliche Feminismus betrachtet die Gleichberechtigung von Männern und Frauen aus einer christlichen Perspektive und versucht, Gleichberechtigung in moralischer, sozialer, geistlicher  Hinsicht und in der Leitung im christlichen Bereich zu fördern. Christliche Feministinnen glauben, dass der Beitrag von Frauen und eine Anerkennung ihres Wertes notwendig sind, um das Christentum richtig zu verstehen. Sie sind davon überzeugt, dass Gott nicht aufgrund von Geschlecht und Rasse diskriminiert, sondern alle Menschen geschaffen hat, um in Harmonie und Gleichwertigkeit zu leben, unabhängig von Rasse und Geschlecht. Dabei geht es unter anderem um die Ordination von Frauen, die biblische Gleichberechtigung in der Ehe, die Anerkennung gleicher geistlicher und moralischer Fähigkeiten. Diejenigen, die nicht mit der feministischen Bewegung in Verbindung gebracht werden wollen, verwenden den Begriff christlicher Egalitarismus.

Ein Christ ist ein Nachfolger von Jesus Christus. Deshalb sollten wir uns anschauen, wie Jesus mit Frauen umgegangen ist.

Jesus, der Feminist

In der alten römischen Gesellschaft waren Frauen Bürgerinnen zweiter Klasse, ohne Stimme und ohne echte Hoffnung auf eine Zukunft. Ihre Aussage zählte vor Gericht nicht  wie die eines Mannes. Sie waren nur das Eigentum eines Mannes. Zurzeit Jesu galten Frauen als minderwertig und weniger intelligent, aber auch als Quelle der Versuchung, und deshalb sollte ein Mann jeden Kontakt mit ihnen vermeiden. Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern war unbekannt. Im Laufe der Geschichte wurden Frauen immer unterdrückt. Aber Jesus schaute nie auf Frauen herab. In seinen Gleichnissen erwähnte er oft Frauen und ihre häusliche Welt. Er verwies auf Gottes Schöpfungsideal, wenn es um die Ehe ging. Er war mitfühlend, respektvoll und liebevoll Frauen gegenüber. Er behandelte Frauen als wertvolle menschliche Wesen.

So wie ich ihn verstehe, war Jesus Christus auch ein Feminist. Ich möchte dies anhand seiner Begegnungen mit Frauen aufzeigen. Indem er Frauen öffentlich in seinen Dienst einbezog, zeigte Jesus, dass er bereit war, Veränderungen vorzunehmen und Bräuche zu missachten, die er nicht für richtig hielt.

  • Wir sehen Jesus bei zahlreichen Gelegenheiten direkt mit Frauen sprechen. Das mosaische Gesetz hatte Männern Gespräche mit Frauen nicht verboten, aber das rabbinische Judentum hatte viele Vorschriften hinzugefügt, und deshalb sprachen Männer zurzeit Jesu nicht mir Frauen.
  • Das Lukas-Evangelium enthält viele Geschichten, in denen Jesus mit Frauen verkehrt.
  • Jesus sprach mit der Frau am Brunnen. Nach der damaligen Kultur hätte er zwei Gründe gehabt, nicht mit der Frau am Brunnen zu sprechen: Sie war eine Frau und noch dazu eine verachtete Samaritanerin, mit der ein anständiger Rabbi nicht sprach. Die Jünger waren erstaunt, als sie zurückkamen und sahen, dass Jesus mit einer Frau sprach.
  • Die theologische Diskussion zwischen Jesus und der Frau zeigte, dass Jesus die Intelligenz dieser Frau (und von Frauen im Allgemeinen) schätzte. Die Rabbiner unterrichteten nur männliche Schüler. Der Talmud sagt: "Es ist Torheit, deiner Tochter die Tora zu lehren" (Sotah 20a). Jesus war bereit, jeden zu lehren, der zuhören wollte - egal, ob es Frauen oder Männer waren! Aber hier lehrte er nicht nur, sondern nahm sogar ihre Argumente ernst und zeigte dadurch, dass er ihr Wissen und ihre Intelligenz schätzte.
  • Jesus hatte keine Angst, Traditionen und Gesetze neu zu interpretieren. "Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist.... Ich aber sage euch ..." Dazu gehörte sicherlich auch die Art und Weise, wie er Frauen als gleichberechtigte menschliche Wesen akzeptierte.
  • Die Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde, erlebte Jesus nicht als Bedrohung sondern als Beschützer.  Sie hätte zu Tode gesteinigt werden müssen, aber Jesus gab ihr nicht di Schuld an ihrer Lage. Er erkannte in ihr ein Missbrauchsopfer und sah in ihr nicht nur das was sie war, sondern das was sie sein könnte.
  • Er behandelte die Frau mit der ungestillten Blutung mit Respekt, obwohl sie ihn, als sie ihn berührte, gemäß der jüdischen Tradition zeremoniell unrein machte. Diejenigen in unserer Zeit, die behaupten, dass eine Frau wegen ihres Menstruationszyklus ungeeignet ist, Pastorin zu sein, könnten von Jesus lernen, den das nicht zu stören schien.
  • Er nannte die gekrümmte Frau, die er am Sabbat in der Synagoge heilte, eine Tochter Abrahams. Das war unerhört! Die Juden waren stolz darauf, sich als Söhne Abrahams zu bezeichnen, und nun nannte Jesus diese geheilte Frau eine Tochter Abrahams und gab ihr damit den gleichen Rang!
  • Maria von Bethanien saß zu Jesu Füßen wie jeder andere Jünger und hörte seiner Lehre zu. Die Rolle der Frauen war es, der Familie zu dienen, aber als Marta Jesus darauf hinwies, dass Maria nicht ihre weiblichen Pflichten erfüllte, verteidigte Jesus Marias Entscheidung. Indem er das tat, bestätigte er die Rolle der Frau als vollwertige Jüngerin.
  • Jesus sprach mit einer kanaanäischen Frau, die ihn um die Heilung ihrer Tochter bat. Er lobte ihren Glauben und ihre Hartnäckigkeit.
  • Jesus war sich auch nicht zu schade, die finanzielle und tatkräftige Hilfe der Frauen aus Galiläa anzunehmen, die ihn von Anfang an begleiteten. Zu dieser Zeit sollten Frauen zu Hause bleiben. "Es ist der Weg einer Frau, zu Hause zu bleiben, und es ist der Weg eines Mannes, auf den Marktplatz hinauszugehen" (Bereschit Rabba 18,1; vgl. Taanit 23b). Frauen sollten sich in der Öffentlichkeit zurückhalten. Lukas erwähnt, dass mehrere Frauen bei Jesus und den zwölf Jüngern waren. "Er nahm seine zwölf Jünger mit, und einige Frauen, die er geheilt und von bösen Geistern befreit hatte. Dazu gehörten Maria Magdalena, aus der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte,  Johanna, die Frau von Chuza, dem Verwalter von Herodes, Susanna und viele andere, die Jesus und seine Jünger durch das, was sie hatten, unterstützten." Lukas 8,1-3 NLB.
  • Zu Marta sagte Jesus: »Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.  Er wird ewig leben, weil er an mich geglaubt hat, und niemals sterben. Glaubst du das, Marta?« Johannes 11: 25+26 NLB
  • Zur Verteidigung der Frau, die ihm die Füße gesalbt hatte, sagte Jesus: "Sie hat dieses Parfümöl über mir ausgegossen, um meinen Körper zum Begräbnis vorzubereiten. Ich versichere euch: Überall auf der Welt, wo man die gute Botschaft verbreiten wird, wird man auch davon sprechen, was diese Frau getan hat" (Matthäus 26,13 NLB). Diese Salbung kann auch so gedeutet werden, dass Jesus die Salbung zum Messias  durch eine Frau akzeptiert.
  • Noch auf dem Weg zu seiner Hinrichtung achtete Jesus auf die Frauen, die ihn beweinten und beklagten. "Doch Jesus wandte sich um und sagte zu ihnen: »Töchter Jerusalems, weint nicht um mich, sondern klagt über euch selbst und eure Kinder." Lukas 23,28.
  • Und schließlich beauftragte Jesus Maria Magdalena mit der Aufgabe, von der Auferstehung zu berichten. Frauen war es nicht erlaubt, vor Gericht auszusagen. Aber Jesus vertraute diese Nachricht einer Frau an und beendete damit die traditionelle Ungleichheit. Die Frauen blieben bei ihm am Kreuz, sahen die Engel am Grab und verkündeten seine Auferstehung. Sie fühlten sich durch Jesus erhoben und befreit.
  • Immer wieder sehen wir in den Augenzeugenberichten von Jesu Leben, wie er sowohl Frauen wie Männern seine Lehre, Heilung und Vergebung anbietet. Oft waren es die Frauen, die seine Arbeit und Lehre am meisten zu schätzen wussten.
  • Jesus war ein Revolutionär in seiner Wertschätzung für Frauen. Er scheute sich nicht, den Status quo in Frage zu stellen und die traditionelle Art und Weise, wie die Heilige Schrift interpretiert wurde, neu zu hinterfragen.

Die ersten Nachfolger Jesu folgten in seinen Fußstapfen, indem sie in ihren Versammlungen Frauen selbstverständlich mit einbezogen und sie als Mitstreiterinnen in der Sache der Verbreitung seiner Botschaft betrachteten. Darauf werde ich nächstes Mal eingehen.



Foto: Pixabay free


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