Wozu bin ich bereit?
In Minsk,
der Hauptstadt von Belarus, wurden am 6. September 2021, Marija Kolesnikova und
Maxim Snak zu langen Haftstrafen verurteilt. Der Prozess fand unter Ausschluss
der Öffentlichkeit statt. Der Prozess sollte den Dissidenten kein öffentliches
Podium bieten.
Die
Bevölkerung von Belarus hat schon lange versucht, gegen die Diktatur des Präsidenten
Lukaschenko Widerstand zu leisten. Seine Gegner wurden immer wieder mit
Polizeigewalt und Verhaftungen zum Schweigen gebracht. Nach dem offensichtlich
gefälschten Wahlergebnis der Präsidentenwahl im August 2020 gingen Tausende
friedlich auf die Straßen und demonstrierten monatelang trotz Gewalt und
Verhaftungen. Der Diktator ließ etliche Gegner schon im Vorfeld der Wahl
festnehmen, und die Festnahmen setzten sich fort, so dass die Führer der
Demokratiebewegung sich in Sicherheit ins Ausland bringen mussten. Nicht einmal
davor schreckte der Machthaber zurück, ein Flugzeug zur Landung in Minsk zu
zwingen, um einen Journalisten zu verhaften. Man vermutet, dass der Tod von
einem Gegner in der Ukraine auch Lukaschenkos Leuten zuzuschreiben ist.
Umso erstaunlicher
ist es, dass Marija Kolesnikova, die vor einem Jahr in Minsk von der
Geheimpolizei entführt wurde, um in die Ukraine abgeschoben zu werden, an der
Grenze ihren Pass zerriss, damit sie im Land bleiben könnte. Seit einem Jahr
hat sie in Untersuchungshaft gesessen, um jetzt zu 11 Jahren Haft verurteilt zu
werden. Marija Kolesnikova hätte das nicht auf sich nehmen müssen, wenn sie ihr
Land verlassen hätte. Ihr war aber das Schicksal ihres Volkes und der Kampf
gegen die Unterdrückung es wert, persönliche Opfer zu bringen.
Mit harten
Strafen gegen Menschen, die friedlich für eine funktionierende Demokratie
demonstrierten, versucht das Regime in Belarus die Proteste zu unterdrücken.
Die Massen von Menschen die am Anfang auf die Straßen gingen, und in der Menge
sich sicher wähnten, gibt es nicht mehr. Es sieht aus, als ob Gewalt wieder
einmal gewonnen hätte.
Ich muss
die Menschen bewundern, die es gewagt haben, ihre Stimmen gegen das Unrecht zu
erheben und dadurch ihre Freiheit und ihr Leben riskiert haben. Sie haben
gezeigt, dass ihre Ziele wichtiger sind als die persönlichen Opfer, die sich
bringen. Sie wollen dem Unrecht widerstehen, egal was es kostet.
Auch in
Kabul gehen Frauen trotz Taliban auf die Straße, um für die Rechte der Frauen
zu demonstrieren. Sie wollen, dass Frauen in die neue Regierung mit aufgenommen
werden, und Frauenrechte berücksichtigt werden. Sie haben in den letzten
zwanzig Jahren am Aufbau des Landes mitarbeiten dürfen und wollen nicht wieder
verdrängt werden. Welche Risiken sie eingehen, können wir uns vorstellen.
Ich stelle
mir die Frage, bin ich bereit, für meine Überzeugung meinen Komfort zu
riskieren? Bin ich bereit, meine Stimme zu erheben, um für die Gleichstellung
von Frauen in meiner Kirche einzutreten? Kann ich mehr tun, als nur zu
schreiben und zu mahnen? So manche, wie unsere katholischen Schwestern,
verlassen ihre Kirche, weil sie keine Aussicht auf Reform und Veränderung
sehen. Wer ist bereit, wie Marija Kolesnikova, zu bleiben, um zu kämpfen?
Vielleicht sollten wir an ihr und an den anderen mutigen Frauen ein Beispiel
nehmen, und wirklich aktiv werden. Wir haben noch die Möglichkeit, unseren
Einfluss geltend zu machen, wenn wir dazu bereit sind. Was können wir tun,
damit St. Louis 2022 das Unrecht von San Antonio 2015 korrigiert? Sind wir
bereit dazu?
Foto: By Сильные Новости: GomelTube -
https://www.youtube.com/watch?v=fJUopSv5VLY 35m28s, CC BY 3.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=93738024
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