Bekenntnisse einer Feministischen Mutter


Wir hatten ein Seminar in der Kirche, in dem der Pastor über Erziehung sprach. Er zitierte etwas, das mich daran erinnerte, was ich als junges Mädchen gelesen hatte: "Der König auf seinem Thron hat keine höhere Aufgabe als die Mutter. Die Mutter ist die Königin ihres Hauses. ... Sie soll den Wert ihrer Arbeit erkennen .... Ihr Werk ist für die Zeit und für die Ewigkeit."[1]

Während ich so dasaß, dachte ich 28 Jahre zurück und begann, über mein Leben nachzudenken. Während meines Studiums hatte ich viele Bücher von Ellen White gelesen. Als eine der Gründerinnen meiner Kirche hatten ihre Schriften in unserer Familie Einfluss. Ich versuchte, das Gelesene in die Praxis umzusetzen, aber mir wurde klar, dass sie in einer anderen Welt gelebt hatte. Als geborene Feministin versuchte ich, meine Werte mit Ellens Ratschlägen, so wie ich sie verstand, in Einklang zu bringen. Sie unterstützte Frauen sehr, sah ihre erste Verantwortung aber immer noch in der Familie.

Meine Mutter war ihr ganzes Leben lang Hausfrau gewesen, und ich wollte nicht in ihre Fußstapfen treten. Es gab eine Zeit, in der sie sich eine eigene Karriere aufbauen wollte, aber damals durften Ehefrauen von Angestellten der Kirche nicht außer Haus arbeiten. Also hatte sie ihren Traum vom Aufbau eines kleinen Unternehmens aufgegeben. Später musste sie auch ihren Traum von einem Diplom als Handarbeitslehrerin aufgeben. Das war das einzige, was sie später in ihrem Leben wirklich bedauerte.

Als ich mich in einen Theologiestudenten verliebte, fügten sich die Teile meines Puzzles wie von selbst zusammen. Ich schloss zwar mein Lehramtsstudium ab, aber letztendlich habe ich nie als Lehrerin gearbeitet. Ich wollte schon immer etwas für Gott tun, und da ich einen Pastor heiraten würde, dachte ich, könnte ich Gott als seine Partnerin dienen und ihn in seinem Dienst unterstützen. Wir würden zusammen als Team arbeiten. Die Kirche zog es immer noch vor, zwei für den Preis von einem zu bekommen. Schließlich war ich überzeugt, dass dies das Richtige für mich war. Wenn es eine so hohe Berufung ist, Mutter zu sein, dann könnte ich auch als Hausfrau und Mutter zufrieden sein, dachte ich. Hatte ich doch in meiner Mutter ein gutes Vorbild.

Ich war überzeugt, dass der Beruf der Mutter etwas Ehrenhaftes ist, und so konzentrierte ich mich darauf, meinem Mann zu helfen und mich um unser Haus und unsere vier Kinder zu kümmern. Ich sah dies als Teil unserer gemeinsamen Mission als Predigerfamilie, und als wir den Ruf erhielten, in Afrika zu arbeiten, war ich hocherfreut. Endlich würde ich im wahrsten Sinne des Wortes Missionarin sein! Wir hatten das Privileg, sechs Jahre lang als Missionare in Afrika zu dienen. Wir liebten unseren Dienst, und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich in meinem Leben etwas verpasste. Das Leben war interessant und gut. Ich war ein nützliches Mitglied eines Teams.

Persönliche Krise

Als meine jüngste Tochter in den Kindergarten kam, merkte ich, dass mir etwas fehlte. Ich hatte so lange so viel gegeben, und irgendwie hatte ich mich dabei selbst verloren. Ich war als Pastorenfrau glücklich gewesen und hatte Gottes Arbeit immer an die erste Stelle meiner Prioritätenliste gesetzt. Es gab so viel zu tun, und ich hatte das Gefühl, dass ich nie die Zeit hatte, das zu tun, was ich wirklich für mich selbst tun wollte. Ich fühlte mich ans Haus gefesselt, weil ich noch ein Vorschulkind hatte, während unsere Älteste kurz davor war, aus dem Nest zu fliegen. Ich wurde unruhig.

Jetzt war ich mir nicht mehr so sicher, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Immer mehr Frauen machten Karriere, und ich war "nur" Hausfrau. Als ich meine Freundinnen in Skandinavien besuchte, fiel mir auf, dass sie alle außer Haus arbeiteten. Wenn mich die Leute fragten: "Und was machst du so?" musste ich verlegen zugeben, dass ich "nur" eine Hausfrau und Mutter war. Sie wollten mich nicht verletzen; ihre Frage war nur ein Zeichen ihres Interesses. Aber es tat weh.

Nach einer Weile wurde mir klar, dass ich mich in einer Midlife-Krise befand. Ich war immer ein optimistischer und fröhlicher Mensch gewesen. Jetzt erkannte ich mich selbst nicht mehr. Ich war körperlich und seelisch erschöpft. Ich nahm mir einen Tag frei, um mich mit meiner Schwester zu treffen, die einige Stunden im Transit am Flughafen hatte. Wir verbrachten den Tag zusammen, und ich konnte meine Tränen kaum zurückhalten. Es half, mit jemandem zu reden. Eines Tages beschloss ich, etwas für mich selbst zu tun. Ich fragte in der städtischen Musikschule, ob sie Lehrer für ihre frühkindliche Musikerziehung suchten. Ein paar Wochen später hatte ich eine Stelle. Nach zwei Jahren zogen wir wieder um und ich musste die Stelle aufgeben. Aber es war gut gewesen, eine bezahlte Arbeit zu haben.

Ellen neu betrachtet

Und so saß ich da im Seminar und dachte nach. Irgendwann hatte ich den Eindruck gewonnen, dass Ellen White mich im Stich gelassen hatte. Natürlich hatte sie das nicht. Sie hatte nur gesagt, dass die Aufgabe der Mutter wichtiger sei als die des Königs. Sie hatte nicht versprochen, dass wir für diese Arbeit belohnt und anerkannt würden! Unser Problem ist, dass wir glauben, unsere Arbeit sei nichts wert, wenn sie nicht in Geld gemessen werden kann. Frauen haben so lange mit dieser Geringschätzung gelebt.

In ihren Schriften hat Ellen White (1827-1915), die in der viktorianischen Zeit lebte, Frauen die oft unter sehr schwierigen Bedingungen litten, immer wieder ermutigt und aufgebaut. Obwohl sie Frauen immer noch darin unterstützte, ihre traditionelle Rolle als Mutter zu erfüllen, würde ich sie in die Vorkämpferinnen der christlichen Gleichstellung einreihen. Sie schrieb: "Die Frau sollte die Position einnehmen, die Gott ursprünglich für sie vorgesehen hat, gleichberechtigt mit ihrem Ehemann". Dann fuhr sie fort: "Die Welt bedarf Mütter, die nicht nur den Namen tragen, sondern wirklich nach allen Richtungen hin Mütter sind. Mit vollem Recht dürfen wir sagen, dass die Pflichten einer Frau heiliger sind als die des Mannes. Aber die Frau sollte die Heiligkeit ihres Berufes schätzen und in der Kraft und Furcht Gottes ihre Lebensmission aufnehmen. Sie sollte ihre Kinder für etwas Nützliches in der Welt und für eine Heimat auf der neuen Erde heranbilden."[2]

Mit zunehmendem Alter setzte sie sich immer mehr für die Rolle der Frau außerhalb des Hauses ein, insbesondere im geistlichen Dienst, obwohl sie die Verantwortung der Mutter immer hochhielt. Ellen White war selbst eine berufstätige Mutter, eine produktive Autorin und Rednerin. 

Meine Mutter hat zwar nicht offiziell für die Kirche "gearbeitet", aber sie war ihr ganzes Leben lang in der Kirche aktiv. Es gab nichts, was sie nicht getan hätte, wenn es nötig gewesen wäre. Sie leitete den Chor, sang das Solo, leitete Bastelkurse, organisierte Frauentreffen und Kinderclubs, spielte Klavier und Orgel. Was auch immer aufkam, sie tat es. Ich bin in ihre Fußstapfen getreten und habe viele der Dinge getan, die sie getan hat, und mehr. Meine Kinder waren meine größte Freude, aber mein Engagement in vielen Projekten außerhalb des Hauses machte mich genauso zu einer berufstätigen Mutter wie andere mit bezahlter Arbeit. Der Lohn, den ich gefunden habe, ist die Freude am Dienen, auch ohne Bezahlung. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, erkenne ich, dass vieles von dem, was ich getan und erlebt habe, darauf zurückzuführen ist, dass Gott mir Türen geöffnet und mich eingeladen hat, auf eine Weise zu dienen, die ich nie für möglich gehalten hätte, und mich ermutigt hat, die Gaben zu nutzen, die er mir gegeben hat.

Ein überholtes Lebensmuster

Jetzt sind meine Töchter zu starken und unabhängigen Frauen herangewachsen, die Karriere machen und sich leidenschaftlich für Gleichberechtigung einsetzen, und ich kann mit Zufriedenheit zurückblicken. Ich muss etwas richtiggemacht haben. Ich habe erkannt, dass das, was ich getan habe und tue, wertvoll ist. Ich muss mich nicht mit meinen nordischen Freundinnen vergleichen. In unserer heutigen Welt würde ich einer Frau jedoch nicht empfehlen, in meine Fußstapfen zu treten. Es gibt für Frauen keine Garantie mehr, dass sie sich auf das Einkommen ihres Mannes verlassen können, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Es können so viele Dinge passieren. Frauen müssen finanziell unabhängig sein. Viele Frauen haben ihr Leben in den Dienst des Herrn und der Kirche gestellt und verfügen nun nicht über ausreichende finanzielle Mittel für einen sorgenfreien Ruhestand.

Der Konservatismus blickt auf die Vergangenheit zurück und versucht, Elemente und Werte zu bewahren, die in früheren Zeiten als Norm galten. Einiges davon war sicherlich gut. Der Apostel Paulus forderte die Christen auf: "Prüft aber alles und das Gute behaltet."[3]  Wir leben nicht mehr in der Mitte des letzten Jahrhunderts und müssen unseren Glauben auf die Probe stellen und ihn an das lebendige christliche Leben unserer Zeit anpassen. Die Zeiten haben sich geändert.

Das Muster meines Lebens ist nicht mehr zeitgemäß, insbesondere vor dem Hintergrund meiner Herkunft aus einem der feministischsten Länder der Welt, umgeben von Beispielen starker, unabhängiger Feministinnen. Vielleicht ist es meinem Lebenslauf zu verdanken, dass ich ein so entschiedener Befürworter der Gleichstellung der Geschlechter bin. Ich habe einen starken Glauben an die Gleichberechtigung von Männern und Frauen gebraucht, um in meiner Karriere als Hausfrau und Mutter "überleben" und sogar gedeihen zu können. Andere mögen ihren Selbstwert in ihrer Karriere finden, aber ich musste meinen Selbstwert darin finden, einfach eine Frau zu sein, eine geliebte Tochter Gottes, die nach seinem Bild geschaffen wurde. Deshalb setze ich mich so vehement für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Ich kann mein Leben zwar nicht noch einmal von vorne beginnen, aber ich kann für Gleichheit und Gerechtigkeit für andere kämpfen.

Feministische Töchter

Meine Töchter sind alle Feministinnen. Eine würde sich lieber als Intersektionalistin bezeichnen. Meine jüngste Tochter hat besondere Antennen, um jede Art von Frauenfeindlichkeit und Diskriminierung aufzuspüren. Sie hat ein ganzes Bücherregal voll mit feministischer Literatur. Sie ist, wie ich gerne gewesen wäre, als ich jung war.  Ich habe nie darüber nachgedacht, was nötig ist, um meine Töchter zu Feministinnen zu erziehen. Ich hatte nichts wie ein "Feministisches Manifest"[4], an dem ich mich orientieren konnte. Aber meine Töchter wurden trotz der Gegensätzlichkeit meines Lebens und meiner Überzeugungen in einem Elternhaus mit traditionellen Rollenverteilungen mit meiner egalitären Einstellung konfrontiert. Ich bin stolz darauf, wie sie es geschafft haben, ihren Weg mit all den sich widersprechenden Botschaften zu finden, die ich ihnen vermittelt haben muss.

Mein Leben ist ein Flickenteppich von Erfahrungen, zusammengesetzt von meinem Gott, der mir den Weg gezeigt und Möglichkeiten eröffnet hat. Er lud mich ein, in vielerlei Hinsicht zu dienen, wobei eine Erfahrung zur nächsten führte, da er genau zur richtigen Zeit die richtigen Herausforderungen und Menschen in mein Leben brachte. Die Quadrate im Patchwork meines Lebens sind ein facettenreiches und buntes Zeugnis dafür, was Gott mit uns tun kann, wenn wir ihm erlauben, uns zu gebrauchen. Zu wissen, dass Gott da ist und sich um mich kümmert, ist so, als würde ich mich in die Patchworkdecke von Gottes liebevoller Führung einwickeln, in der Gewissheit, dass jede Erfahrung mein Leben reicher und glücklicher machen wird, auch wenn einige der Flecken dunkel sind. Gott hat mir viele Türen geöffnet und mir gesagt: "Dies ist der Weg; den geh!"[5] 




[1]  Ellen G. White, Adventist Home, p. 231.

[2] Ellen G. White, Adventist Home 231 

[3] 1Thessalonicher 5,21 Lu17

[4] Chimamanda Ngozi Adichie, Dear Ijeawele: A Feminist Manifesto in Fifteen Suggestions

[5] Jesaja 30,21 Lu17



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Die englische Fassung des Artikels wurde am 11. Januar 2022 auf adventisttoday.org veröffentlicht

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