Männliche Leitungsgremien

 

Als es wieder möglich wurde, vor Ort zusammenzukommen, nachdem die Covid-19 Regelungen im März 2022 gelockert wurden, veröffentlichte die Kirche der Siebenten-Tags Adventisten in Australien ein Bild der Leiter des Verbandes und der neun Vereinigungen. Sie wollten einfach zeigen, wie schön es ist, Beratungen nicht mehr nur per Zoom abzuhalten. Es sollten verschiedene Sitzungen stattfinden: Vorsteherberatung, Sekretärsberatung, Exekutivausschuss und Vorstandssitzung. Dazu waren die Vorstände und sonstigen Leiter zusammengekommen. Womit sie wohl nicht gerechnet hatten war der Aufruhr der entstand, als das Bild im Internet kommentiert wurde. Unter den 23 Leitern im Foto war keine einzige Frau. Viele Kommentare waren zornig, manche waren unfair. Das Bild hat aber deutlich gemacht, dass die Kirche der STA nur von Männern geleitet wird, obwohl mehr als die Hälfte der Gemeindeglieder Frauen sind. Und das nicht nur in Australien.

In seinem Buch Women in the  Church das Samuele Bacchiocchi 1986 schrieb, untersucht er die Rolle der Frau in der Kirche. Er zeigt viel Anerkennung für alles was Frauen in der Gemeinde tun und geht von einer Gleichstellung von Mann und Frau vor Gott aus. Allerdings behauptet er, dass Gott Frauen nicht als Pastoren vorgesehen hat. Sie könnten das Lehr- und Hirtenamt nicht bekleiden, weil Gott diese Aufgaben ausschließlich Männern vorbehalten hätte. Mit dem Buch wollte er dazu beitragen, dass die Frauenordination bei der Generalkonferenzsitzung 1990 in Indianapolis abzulehnen wäre. Seit mehr als 50 Jahren studiert und diskutiert die Kirche über die Frauenordination. Die Theologen können sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Die Lösung, die Frage auf regionaler Ebene zu entscheiden, wurde 2015 in San Antonio abgelehnt. Es sieht auch für die Zukunft nicht so aus, dass es eine Einigung geben könnte. Die oberste Kirchenleitung möchte den Status quo bewahren.

Für mich gibt es zwei mögliche Lösungen des Problems. Pastoren und Pastorinnen brauchen eine offizielle Aufnahme in ihr Pastorenamt das man gewöhnlich Einsegnung nennt. Die Einsegnung ist eine Bestätigung der Berufung und die Bitte um Gottes besonderen Segen auf den Dienst des Einzusegnenden. Die Kirche hat zwei verschiedene Begriffe dafür: Ordination und segnende Beauftragung. Wenn man alle Pastoren segnend beauftragen würde, gäbe es keine zwei Klassen von Predigern. Das Problem ist, dass nur Männer ordiniert werden und Frauen in die niedrigere Kategorie der Beauftragten eingestuft werden. Die Bibel kennt nur die Handauflegung zum Dienst. Das Wort Ordination kommt in der Bibel nicht vor und könnte leicht auch in der Kirche der STA abgeschafft werden. Sie ist ein Relikt des katholischen Klerikalismus. Die Abschaffung der Ordination zugunsten einer allgemeinen Einsegnung würde am Segen nichts ändern und es gäbe keine Diskriminierung von Frauen. Es geht nur um ein Wort.

Die zweite mögliche Lösung wäre, in den Arbeitsrichtlinien  (Working Policy) die Ordination als Voraussetzung für leitende Positionen wie Vorsteher/Präsidenten von Missionen, Verbänden, Divisionen etc. zu ändern und auch eine Einsegnung (segnende Beauftragung) dafür zulassen. Gerade diese Arbeitsrichtlinie ist es doch, die verhindert, dass Frauen in leitende Positionen gewählt werden. Die Welt hat schon lange festgestellt, dass Frauen besondere Leitungsfähigkeiten haben. Warum sollte die Hälfte der Kirche nicht in ihrer Führung vertreten sein? Dann würden solche Bilder wie in Australien nicht mehr vorkommen.

Am 19. März 2022 ließ Papst Franziskus am 9. Jahrestag seines Amtseintritts ein neues Vatikanisches Grundgesetz veröffentlichen, auch Apostolische Konstitution genannt, das am Pfingstsonntag in Kraft treten wird. Die allgemeine Tendenz im Pontifikat von Franziskus, weniger von Macht und mehr von Dienst zu sprechen wird darin bestätigt. „Außerdem wird schwarz auf weiß festgeschrieben, dass auch Laien - und damit auch Frauen - vatikanische Behörden leiten können.“[1] Die Frage der Priesterweihe für Frauen wird dadurch geschickt umgangen und die Tür für die Mitwirkung von Frauen in Leitungsaufgaben bestätigt. Wir haben in den letzten Jahren beobachtet, wie Papst Franziskus immer wieder Frauen in wichtige Positionen berufen hat. 

Die Nachrichtenagentur Reuters kommentiert wie folgt: “Im vergangenen Jahr ernannte er zum ersten Mal eine Frau auf den zweithöchsten Posten der ‘Stadtverwaltung‘ des Vatikanstaates als Generalsekretärin des Governatorates. Dadurch wurde Schwester Raffaella Petrini die ranghöchste Frau im kleinsten Staat der Welt. Ebenfalls im vergangenen Jahr ernannte er die italienische Nonne Schwester Alessandra Smerilli zur Interimssekretärin des vatikanischen Entwicklungsdikasteriums, das sich mit Fragen der Gerechtigkeit und des Friedens befasst. Darüber hinaus hat Franziskus Nathalie Becquart, ein französisches Mitglied der Missionsschwestern von Xaviere, zur Untersekretärin der Bischofssynode ernannt, die die alle paar Jahre stattfindenden großen Treffen der Weltbischöfe vorbereitet.“ [2]

 Vatican News kommentiert: “Die Präambel von Praedicate Evangelium stellt klar, dass die zentrale Aufgabe der Kirche und damit der römischen Kurie die Verkündigung ist. Die ganze Kirche sei zu einer ‘missionarischen Bekehrung‘ aufgerufen.“[3] Alle Abteilungen werden künftig Dikasterien genannt. Das neue Grundgesetz soll sicherstellen, dass die römische Kurie sich noch stärker als Dienstleisterin der Ortskirchen in aller Welt versteht. Ein neues Dikasterium für Evangelisierung wird eingerichtet.

Wenn man das betrachtet, stellt man fest, dass die katholische Kirche wenigstens erkannt hat, dass sie ohne die Mitwirkung der Frauen keine Zukunft hat. Der Papst kann die Aussagen seiner Vorgänger nicht außer Kraft setzen, was die Priesterweihe für Frauen angeht. Er ist aber dabei, die Tür für Frauen in Leitungsaufgaben im Verwaltungsbereich und vielleicht sogar im Diakonat zu öffnen. Die höchsten Positionen sind nicht mehr nur Priestern vorbehalten. Der Wille zur Erneuerung und Veränderung der kirchlichen Strukturen scheint da zu sein.

Den Willen zur Veränderung erkenne ich in meiner Kirche auf der höchsten Ebene nicht. Dort will man festhalten an alten Traditionen und Machtstrukturen. Sonst sind viele Parallelen zwischen Silver Spring und Vatikan zu erkennen, wie bei der Betonung auf Mission und Beteiligung aller an der Evangelisierung. Total Member Involvement (Mitwirkung aller Gemeindeglieder) und Mission sind Begriffe, die immer wieder zu hören sind. Wie viel effektiver wären diese Schlachtrufe, wenn die Frauen, die immerhin mehr als die Hälfte der Kirche ausmachen, sie auch von Frauen hören und sehen könnten, wie Frauen ihnen als Vorbilder geboten werden. In einigen Regionen können wir schon einen Wandel sehen. Sie haben aufgegeben, darauf zu warten, dass die Weltkirchenleitung sich in der Frage der Frauenordination bewegt und folgen ihrem Gewissen. Sie berufen Frauen in leitende Funktionen und sorgen langsam dafür, dass die Bilder in Zukunft nicht mehr so männerlastig sein werden. Es wäre schön, wenn auch unsere Kirchenleitung sich als Dienstleister und nicht als Kontrollorgan verstehen würde.



Foto: Seventh-Day Adventist Church in Australia


[1] bit.ly/3CZerN6

[2] reut.rs/3uh6yi5

[3] bit.ly/3CZerN6

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