Das Lucia-Fest

 

Ich kann mich noch genau erinnern, wie meine Mutter und ich vor dem Lucia-Fest die Stockholmer Zeitung betrachteten und die Bilder der vielen schönen Mädchen ansahen, die zur Wahl standen. Alle wollten sie zur Lucia 1952 gewählt werden und in einem langen weißen Gewand mit einem Kerzenkranz auf dem Kopf den Luciazug durch die Stadt anführen.  Als der Tag kam, standen wir sogar in der Eiseskälte am Straßenrand und sahen, wie die schöne blondgelockte „Lucia“ in ihrem weißen Pelzmantel mitsamt ihrem Gefolge auf der offenen Ladefläche mehrerer LKWs durch die Stadt fuhr.

Welches junge Mädchen in Schweden (oder in den anderen nordischen Ländern) hat nicht schon den Wunsch gehabt, zur Lucia gewählt zu werden? In der Schule begann der 13. Dezember mit einer besonderen Feier. In der Dunkelheit des frühen Morgens ging die Lucia, in ein weißes langes Gewand gehüllt, den Kranz mit den brennenden Kerzen auf dem Kopf, eine blutrote Schärpe um die Taille gewickelt, gefolgt von weiteren Mädchen, ebenfalls in weißen Gewändern, Kerzen in den Händen tragend, durch die unbeleuchteten Gänge der Schule bis zur Aula. Die anderen Schüler folgten der beeindruckenden Prozession ebenfalls in den Versammlungsraum. Wie die Feier dann ablief weiß ich heute nicht mehr, nur dass wir das Lucialied sangen.

Lucia von Syrakus wurde um 283 in Syrakus, in Sizilien geboren, wo sie schon früh Christin wurde. Sie beschloss, ihr Leben ganz Jesus zu weihen. Nach den uns zugänglichen Quellen war Lucia die Tochter eines reichen römischen Bürgers von Syrakus, der jedoch früh starb. Von ihr wird berichtet, dass sie sich liebevoll um die Armen kümmerte. Ihre Mutter Eutychia wollte sie verheiraten, doch Lucia hatte die Jungfräulichkeit um Christi willen gelobt und schob die Verlobung mit einem reichen Bürger hinaus. Als Eutychia auf einer gemeinsamen Wallfahrt von einer Krankheit geheilt wurde, stimmte sie dem Gelübde Lucias zu. Lucias zurückgewiesener Verlobter denunzierte sie aber in der Verfolgung durch Diokletian als Christin. Sie wurde zum Tode verurteilt und schließlich mit einem Schwertstich in den Hals getötet. Der 13. Dezember im Jahre 304 soll ihr Todestag sein. Eine Grabinschrift um 400 in der Katakombe San Giovanni in Syrakus und ihre Erwähnung in allen Martyrologien lassen es als sicher erscheinen, dass sie gelebt hat.

Der Name Lucia bedeutet "die Leuchtende" und kommt aus dem Lateinischen "lux" (das Licht). Deshalb trägt Lucia auch heute noch in Schweden eine Lichterkrone auf dem Kopf. Die rote Schärpe symbolisiert ihr Martyrium, die brennenden Kerzen ihre Liebe zu Christus und ihren Mitmenschen. Der Tag zum Gedenken an die heilige Lucia ist bekannt, aber kaum jemand denkt darüber nach, was er wirklich bedeutet. Der Tag ist in Schweden lediglich der Ausgangspunkt für all die Weihnachtstraditionen, die oft ihre ursprüngliche Bedeutung verloren haben.

Natürlich ist es schön, sich in dieser dunkelsten Zeit des Jahres gemütlich bei Kerzenschein hinzusetzen und Tee und Plätzchen zu genießen. Die Dänen nennen es "hygge" und andere kopieren die Vorstellung von Gemütlichkeit und Komfort. Aber wir können mehr tun, als nur zu entspannen und das Licht der flackernden Kerzen zu genießen. Wir können über die wahre Bedeutung des Lichts nachdenken, das in der Dunkelheit dieser Welt leuchtet.  

Im Evangelium nach Johannes lesen wir: „In ihm war das Leben, und das Leben war das  Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen“ (Johannes 1,4.5).  Wer war das? Die Antwort finden wir in Kapitel 8: "Als Jesus wieder zu den Menschen sprach, sagte er: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben." (v. 12).

Jesus ist der einzige, der wirklich Licht in diese Welt gebracht hat und dieses Licht auch heute noch leuchten lässt. Er möchte, dass wir in seinem Licht wandeln und aus der Dunkelheit unserer Sorgen und Lasten zu ihm kommen, um in seinem Licht zu leben.

Wir sollten an die symbolische Bedeutung des Festes der Heiligen Lucia denken, wenn wir die Not um uns herum sehen: Liebe zu Christus und zu den Mitmenschen. Vergessen wir das Leid der Menschen nicht. So wie Lucia von Syrakus die Liebe Christi in der Nächstenliebe praktizierte, können auch wir ein Licht in dieser Welt sein. Auch wenn wir nur ein kleines Licht im Vergleich zu Gottes großem Licht sind, können wir unser Licht leuchten lassen, um die Dunkelheit dieser Welt in unserer kleinen Ecke zu vertreiben.




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