Maria 2.0 Initiative befestigt Thesen an Kirchentüren

 

Ein Dutzend Frauen traf sich im Frühjahr 2019 im Lesekreis der katholischen Gemeinde Heilig Kreuz in Münster, um über "Evangelii Gaudium", das erste Apostolische Schreiben von Papst Franziskus, zu sprechen. Sie sprachen auch über ihre Situation als Frauen in der Kirche und ihre täglichen Schwierigkeiten. Ohne Frauen geht in der katholischen Kirche nichts. Aber Frauen haben keine Stimme innerhalb der kirchlichen Strukturen. "Wir müssen etwas tun", sagten sie, "mehr als nur darüber reden". Sie engagieren sich in Pfarrgemeinderäten und in der Seelsorge, leiten die Vorbereitung der Kommunion und planen Familiengottesdienste. Aber sie dürfen nicht taufen oder die Beichte abnehmen. Nur Männer, die im Zölibat leben, dürfen das tun. Schon die erste Aktion sorgte für Aufsehen - eine Streikwoche im Mai 2019, in der die Frauen keine Kirche betraten, sondern eigene Gottesdienste außerhalb ihrer Kirchen abhielten. So wurde die Protestinitiative "Maria 2.0" geboren, die eine Veränderung der Strukturen der katholischen Kirche fordert. Der Streik sprach sich schnell herum und wurde zu einer bundesweiten Protestaktion in Deutschland und sogar in einigen anderen Ländern. Die Beteiligung war viel größer als erwartet. Auch wenn die Aktion keine große Wirkung auf die Kirche zu haben scheint, geben die Frauen nicht auf.

Porträts von Frauen

Eine der Gründerinnen der Initiative, die Malerin Lisa Kötter, begann, Porträts von Frauen mit zugeklebtem Mund zu malen. Sie schuf das Symbol der Bewegung: die Madonna mit zugeklebtem Mund. Eine weitere Gründerin, Andrea Voss-Frick, ist der Meinung, dass sich die Kirche als moralische Instanz nach den vielen Missbrauchsfällen und Vertuschungen erneuern muss, wenn sie wieder als solche wahrgenommen werden will. Die Protestbewegung fordert einen Neuanfang der katholischen Kirche, dazu gehört die vollständige Aufklärung aller Missbrauchsfälle und absolute Geschlechtergerechtigkeit bis hin zur Öffnung der ordinierten Ämter für Frauen. Sie wollen, dass Frauen predigen dürfen, statt nur die Kerzenständer zu putzen. Sie haben sich an Priester und Bischöfe gewandt, in der Hoffnung auf Unterstützung, aber nur wenige haben sich getraut, ihnen zu helfen.

In einem Interview im deutschen Fernsehen sagte Lisa Kötter:[1] " Ich verstehe meine Töchter und ich verstehe meine Enkeltöchter sehr gut.  Die gehen mit mir in die Kirche und sagen: „Was soll das da? Nur Männer am Altar. Die Frauen können froh sein, wenn sie mal etwas anreichen dürfen oder mal vor dem Evangelium etwas lesen dürfen. Sie dürfen nicht einmal predigen zum Evangelium. „Was sollen wir hier? Die leben in einer anderen Welt.“ Die Kirche müsste vorangehen, sie müsste den Gesellschaften in Gerechtigkeit vorangehen. Stattdessen kriecht sie wie eine Schnecke hinterher – und wir haben diese Zeit nicht mehr. Die Botschaft, die wirklich so kostbar ist, dass sie die Welt aus den Angeln heben könnte, und ich glaube, gerade in westlichen Gesellschaften brauchen wir diese Botschaft von Nächstenliebe. Und wo es nicht nur immer um Gier und ich, ich, ich, geht. Und diese Botschaft geht verloren, weil die Kirche so erstarrt ist und so männerdominiert ist, dass die Menschen einfach gehen. Es wird einen riesigen Exodus geben. Wenn nicht wirklich bald richtige, echte Strukturwandlung entsteht.“

Thesen 2.0

Mehr als 500 Jahre nach Martin Luther hat die Initiative Maria 2.0 am 21. Februar 2021, dem Sonntag vor der jährlichen Bischofskonferenz, in ganz Deutschland neue Thesen an Kirchen- und Domtüren genagelt[2]. In ihren sieben Thesen fordern sie unter anderem gleiche Rechte für Männer und Frauen, gemeinsame Verantwortung, respektvollen Umgang und Transparenz. Mit dem Anschlag der Thesen weist die Initiative Maria 2.0 auf die eklatanten Missstände in der katholischen Kirche hin und unterstreicht damit ihre Forderungen nach Reformen hin zu einer zukunftsfähigen und vielfältigen Kirche ohne Angst, in der die Gläubigen als Brüder und Schwestern gleich behandelt werden.

Protest-Bewegung

Ich bin beeindruckt von diesen Frauen. Sie kämpfen um die Seele ihrer Kirche. Sie geben nicht auf. Sie verlassen nicht einfach die Kirche. Sie wollen, dass sich ihre Kirche verändert und relevant wird. Sie zeigen mit dem Finger auf die Defizite, auf den Missbrauch, sie benennen die Missstände. Sie zeigen, dass man, wenn man seine Kirche liebt, ehrlich und kreativ sein muss und Wege finden muss, etwas zu bewirken, auch wenn die Kirche sich nicht verändern will.

 

 


Foto: Facebook Thesen 2.0



[1]  Lisa Kötter, ZDF heute 24. September 2020 

[2] https://www.facebook.com/Thesen-Maria-20-103185231791540/

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