Große Träume

  

Das 19-jährige indische Mädchen Maitri Patel ist ein ideales Vorbild für Millionen von Mädchen, da sie ihr Ziel und den Traum ihres Lebens erreicht hat. Seit sie im Alter von 8 Jahren zum ersten Mal ein Flugzeug sah, träumte sie davon, Pilotin zu werden. Nun erhielt Maitri eine kommerzielle Fluglizenz, nachdem sie die Ausbildung in rekordverdächtigen 11 Monaten abgeschlossen hatte. So wurde sie Indiens jüngste Verkehrspilotin.

Maitri wollte schon seit ihrer Kindheit Pilotin werden. Nachdem sie die Klasse XII der Metas Adventist School in Surat, Gujarat, abgeschlossen hatte, ging sie in die Vereinigten Staaten, um ihre Pilotenausbildung zu absolvieren. Maitris Vater Kantilal Patel ist Landwirt und ihre Mutter arbeitet im Gesundheitssektor. Anstatt für ihre Hochzeit zu sparen, wie es in Indien oft üblich ist, investierte Patels Vater in die Ausbildung seiner Tochter. Um sie zu bezahlen verkaufte er ein Stück Land seiner Vorfahren.

Die Metas Adventist School ist eine englischsprachige Schule der Siebenten-Tags-Adventisten, die seit 1942 in Surat unterrichtet. Ihr Auftrag lautet: "Das Leben der Menschen zu berühren und sie zu verwandeln, indem wir lehren, heilen und eine bessere Gemeinschaft für Menschen und Gott schaffen."[1]

Ich wollte nie Pilotin werden, aber da ich gerne reise, und in meiner Jugendzeit der Beruf der Flugbegleiterin noch irgendwie erstrebenswert erschien, wäre ich gerne Stewardess geworden. Das kam aber gar nicht in Frage, denn da hätte ich ja bestimmt mit der Arbeitszeit Probleme bekommen. So strich ich von meiner Liste der erstrebenswerten Berufe alle weg, in denen es schwer gewesen wäre, den Sabbat zu halten. Hätte Maitri diese Überzeugungen geteilt, wäre sie nie Pilotin geworden. Aber sie war ja wahrscheinlich auch kein adventistisches Mädchen.

Obwohl ich selber keineswegs sportlich begabt bin, hat mich der Sport immer schon interessiert, besonders Tennis und Leichtathletik. Mit meinem Hintergrund war es immer klar, dass es schwierig sein muss, sportliche Träume zu verwirklichen, um Höchstleistungen zu bringen, wenn man den Sabbat halten will. So habe ich auch nie Tennisspieler erlebt, die meine Glaubensüberzeugung teilen.

Wir sind doch davon überzeugt, dass Bewegung und Sport gut sind und gesund sind. Da wir nicht nur in unserer Gesundheitsbotschaft vom Faktor Essen ausgehen, sondern noch weitere sieben Punkte für gut und erstrebenswert betrachten, sollte es doch auch selbstverständlich sein, dass wir unsere Kinder in Sportvereinen trainieren lassen. Und da kommt dann auch schon das Problem: Spiele und Wettbewerbe finden meist an Samstagen statt. Da entsteht wieder ein Konflikt. Als Adventisten sind wir oft so abgekapselt von der restlichen Gesellschaft, dass wir es vorziehen, in Sportvereinen gar nicht aktiv zu werden.

Die leichte Antwort ist das Beispiel des brasilianischen Torwarts Carlos Vítor da Costa Ressurreição, der einen Vertrag bei der Fußballmannschaft Chapecoense abschlug, weil er den Sabbat halten wollte. Diese Entscheidung rettete ihm wahrscheinlich das Leben, weil er bei dem Flugzeugabsturz am 29. November 2016 in Medellín nicht dabei war das 71 der 77 Menschen an Bord tötete. Die Mannschaft war auf dem Weg zum Finale der Copa Sudamericana. Ressurreição hatte den den Vertrag mit dem Serie-A-Team Chapecoense abgelehnt, weil dieses nicht bereit war, eine Klausel aufzunehmen, wonach er vom Training und Spielen an Samstagen befreit wäre. Ressurreição erhielt von seinem alten Verein Paraná Soccer Technical Center Club einen neuen Vertrag der ihm erlaubte, seinen Glauben an die Einhaltung des Sabbats am Samstag zu wahren. Das ist eine wunderbare Erfahrung.

Interessant ist auch die Geschichte von Usain Bolt, der auch in der Adventgemeinde in Jamaika aufgewachsen ist. Er wurde allerdings nie Mitglied. Vielleicht lag es auch daran, dass er dann an den meisten Wettbewerben nicht hätte teilnehmen können. Seine Mutter hat ihn aber immer unterstützt. Nick Ripatrazone schrieb am 27. Juli 2017[2]:

„Usain Bolt ist der größte katholische Leichtathlet der Welt. Er hält die Weltrekorde über 100 und 200 Meter. Er hat acht olympische Goldmedaillen gewonnen. Er ist zu einer lebenden Legende in einer Leichtathletikdisziplin geworden, die dafür bekannt ist, Superstars hervorzubringen. Seine Rituale vor und nach dem Rennen sind rein katholisch, und doch ist der Glaube eines der meistdiskutierten Sportler der Welt ein offenes Geheimnis.

Geboren und aufgewachsen in Sherwood Content, Jamaika, wuchs Bolt in einem Elternhaus der Siebenten-Tags-Adventisten auf. Obwohl er in seiner Jugend eine Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten besuchte, ist er als Erwachsener nicht Mitglied geworden. Als Katholik hat er den zweiten Vornamen St. Leo angenommen. Er hat darüber gesprochen, dass er in den Nächten vor seinen Treffen betet. In Interviews spricht er offen über seinen Glauben an Gott. Der Vatikan lud Bolt sogar ein, auf der TEDx-Konferenz Via della Conciliazione über Religionsfreiheit im Jahr 2013 zu sprechen.“

Bei den olympischen Leichtathletik-Wettbewerben sorgte die Jamaikanerin Elaine Thompson-Herah für eine erste Sensation als sie am Samstag (31.07.2021) den Sprint der Frauen über 100 Meter gewann. Elaine Thompson-Herah schrieb in Tokio Olympiageschichte, als sie für Jamaika Goldmedaillen über 100 m, 200 m und mit der 4x100-m-Staffel holte. Sie ist außerdem die erste Frau, die bei den Sommerspielen in Folge Gold über 100 und 200 Meter gewonnen hat.[3]

Zu denjenigen, die Thompson-Herah in ihrer Heimat unterstützten, gehörte ihre adventistische Großmutter, Hycenth "Gloria" Thompson, die sich um ihre Enkelin großgezogen hat, seit sie sieben Monate alt war. Sie war sich sicher, dass ihre Enkelin mit der Hilfe Gottes siegen würde und feuerte sie auch lautstark an.

Beatie Deutsch ist eine orthodox lebende jüdische Marathonläuferin aus Israel, die sich auch für die Olympischen Spiele in Tokio qualifiziert hatte. Sie trägt Kopftuch, langärmeliges T-Shirt, lange Hose, und knielangen Rock, auch wenn sie bei größter Hitze läuft. Mit 31 Jahren ist die 5-fache Mutter israelische Meisterin. Sie wollte auch in Japan laufen – aber nicht am Schabbat. Daher stellte Deutsch beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und beim Weltleichtathletikverband den Antrag, den Frauenmarathon doch bitte um einen Tag vorzuverlegen, auf Freitag, den 6. August. Ihr Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung: „Wir sind leider nicht in der Lage, den Zeitplan an die besondere Situation jedes einzelnen Athleten anzupassen.“  Deutsch legt Wert darauf, nicht nur für sich und ihr eigenes persönliches Anliegen zu kämpfen. Sie will vielmehr für religiöse Sportler in aller Welt ein Zeichen setzen. »Ich denke, manchmal haben religiöse Teenager das Gefühl: ›Ich kann nicht zum Sport gehen.‹« Dass Glaube aber kein Hindernis darstellt, ist ihre Botschaft. “Ich möchte solchen Menschen einfach Hoffnung und Inspiration geben.“ [4] Während sie läuft, lauscht sie Abschnitten der Tora; vor jedem Training spricht sie den Morgensegen. An sechs Tagen die Woche steht sie morgens um fünf Uhr auf – und läuft. Bis halb neun ist sie auf Straßen und Wegen von Har Nof in Jerusalem unterwegs. „Wo einige eine orthodoxe Läuferin erblicken, sehe ich meinen Glauben, der mich antreibt,“ sagt sie in der Werbung ihres Sponsors.

Hält uns der Glaube davon ab, unsere Träume zu verwirklichen und Spitzenleistungen zu bringen? Hat Beatie Deutsch recht, wenn sie sagt, dass vielen religiösen jungen Leuten beigebracht wurde, dass Sport und Glaube nicht miteinander zu vereinbaren sind? Interessant ist es doch, dass die Adventistischen Medien es immer aufgreifen, wenn ein Mann wie Usain Bolt oder eine Frau wie Elaine Thompson-Herah Schlagzeilen machen. Ihre Verbindungen zu den Adventisten werden da gern hervorgehoben. Aber haben wir daran gedacht, dass wir es ihnen nicht ermöglicht hätten, innerhalb unserer Überzeugungen als Adventisten zu leben und ihre Leistungen zu bringen?

 


 

 

Foto Lokmat Indiatimes



[1] https://www.indiatimes.com/trending/human-interest/farmers-daughter-becomes-indias-youngest-commercial-pilot-549331.html

[2] https://www.americamagazine.org/arts-culture/2017/07/27/usain-bolt-greatest-catholic-athlete-world

[3] https://tokio.sportschau.de/tokio2020/nachrichten/Thompson-Herah-sprintet-ueber-100-Meter-zu-Olympia-Gold,olympia9082.html

[4] https://www.juedische-allgemeine.de/israel/ich-bin-eben-ein-bisschen-extrem/

 

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