Ich will meine Welt zurück!
Unser Teil
der Welt ging vor genau zwei Jahren in den Lockdown. Seitdem haben wir die
Auswirkungen des Covid-19-Virus auf unser Leben beobachtet. Schutzmaßnahmen,
Vorschriften und neue Covid-Varianten haben unser tägliches Leben verändert.
Masken, Impfstoffe und neue Medikamente haben uns geholfen, die Hoffnung nicht
zu verlieren, dass diese Geißel besiegt werden kann. Wir haben darauf gewartet,
dass unser Leben wieder zur Normalität zurückkehrt.
Dann sagten
uns die Wissenschaftler, dass wir wahrscheinlich lernen müssen, mit diesem
Virus zu leben, und dass es nicht einfach verschwinden wird. Unsere Welt würde
nicht mehr so sein wie vor der Pandemie. Wir haben in den letzten zwei Jahren
so viele Dinge akzeptiert. Wir müssten auch diese Tatsache akzeptieren.
Die letzten
Jahre waren nicht nur eine Herausforderung für unsere körperliche Gesundheit.
Die Menschen haben auch mit Depressionen und Hoffnungslosigkeit zu kämpfen.
Aber auch die Aggressivität, die entstanden ist, ist beängstigend. Teile
unserer Gesellschaft werden immer feindseliger gegenüber normalen Regeln. Die
Verdrehung von Tatsachen, Wahrheit und Lüge sind zur neuen Normalität geworden.
Forscher haben sich die Mühe gemacht, die Gründe für diese Entwicklung zu
analysieren, aber wir haben es live in den Medien miterlebt. Alternative Fakten
und Fake News, Medien, die zur Verbreitung von Unwahrheiten genutzt werden,
haben das Vertrauen großer Teile der Bevölkerung in demokratische Prozesse zerstört.
Gerade als
wir dachten, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt, dass wir irgendwie in
einen neuen Tag ohne so viele Einschränkungen in unserem Leben eintreten
würden, betrat die Welt am 24. Februar 2022 einen weiteren dunklen Tunnel. In
den vergangenen Jahren haben wir das Ende der Weltkriege gefeiert und uns an
dem Gedanken erfreut, dass unsere Nationen ihre Lehren aus ihnen gezogen haben.
Meine Generation hat das Glück gehabt, in Frieden und Wohlstand aufzuwachsen.
Als Europäer haben wir die Freiheit der letzten Jahre genossen und dabei
vergessen, wie zerbrechlich die Beziehungen zwischen den Nationen sein können.
Der Kalte Krieg wurde für beendet erklärt, und es sollte eine neue Ära der
Zusammenarbeit beginnen. Doch wie der finnische Präsident Niinistö sagte,
befindet sich die Welt "fast in einer kälteren Situation" als während
des Kalten Krieges. Seine Äußerungen fielen in einer Zeit, in der westliche
Politiker alles daransetzten, eine Eskalation zu verhindern. Am Morgen des
Angriffs sagte Niinistö: "Putins Maske fällt und zeigt das kalte Gesicht
des Krieges". Und nun stehen wir erneut vor Aggression und Krieg in
Europa.
In seiner Rede auf der Münchner
Sicherheitskonferenz am 19. Februar zog Sauli Niinistö Parallelen zwischen den
Ereignissen in der Ukraine und den sowjetischen Bemühungen, die finnische
Gesellschaft im Vorfeld des Winterkriegs zu destabilisieren. "Stalin
dachte, er würde die Nation spalten, und es sei einfach, in Finnland
einzumarschieren. Das genaue Gegenteil war der Fall. Die Menschen schlossen
sich zusammen, und das haben wir auch in der Ukraine gesehen... Ich habe das
Gefühl, dass wir in der westlichen Welt das gleiche Gefühl haben - wir werden
herausgefordert, aber wir sind zusammen." [1]
Der russische
Angriff auf die Ukraine hat die Welt tatsächlich geeint. Die Welt ist
schockiert, dass Russland in sein Nachbarland, die Ukraine, einmarschiert, um
die demokratisch gewählte Regierung zu stürzen und Teile des Landes, wenn nicht
sogar das ganze Land zu besetzen. Die Begründung Wladimir Putins dafür ist
verrückt und nach objektiven Einschätzungen realitätsfremd. Es gibt keine
Entschuldigung für den Angriff auf ein Land, das nur in Frieden leben will. Der
russische Angriff war von langer Hand geplant und basiert auf Putins verzerrter
Ideologie und Geschichtsauffassung. Er kann nicht einfach versuchen, die
Landkarte Europas neu zu zeichnen. Die Wiederholung falscher Anschuldigungen
und Vorwürfe macht sie nicht richtiger. Das Erfinden von Gründen macht den
Angriff auf ein Land nicht zu einer ‘friedenserhaltenden‘ Mission. Kriege
wurden schon immer mit Propaganda und Fehlinformationen geführt. Als ehemaliger
KGB-Direktor weiß Putin besser als jeder andere, wie man die öffentliche
Meinung manipuliert. Kein Wunder, dass Donald Trump und Wladimir Putin eine
besondere Beziehung haben. Wie das Sprichwort sagt: "Gleich und gleich
gesellt sich gern".
Als Europäer
sind wir schockiert, dass ein Präsident der Vereinigten Staaten lieber den
Zusicherungen eines russischen Diktators glaubt als seinem eigenen
Geheimdienst, wie es bei dem Treffen zwischen Putin und Trump in Helsinki der
Fall war. Ein weiterer Schock kam letzte Woche, als Trump Putin als sehr
"klug" lobte, als er die separatistischen Gebiete in der Ostukraine
anerkannte, die er in den letzten acht Jahren destabilisiert hatte. Der
Anschlag auf das Kapitol am 6. Januar 2021 hat gezeigt, dass wir nicht einmal
die Demokratie in der größten westlichen Nation als selbstverständlich ansehen
können, solange solche gefährlichen Leute ihr Unwesen treiben dürfen. Die Welt
wird immer unheimlicher.
Ich habe die
Menschen in der Ukraine kennen und lieben gelernt. Wir haben wunderbare
Erinnerungen an die Evangelisationen, die wir mit einem Team von Freunden über
12 Jahre lang jeden Sommer in der Westukraine durchgeführt haben. Wir arbeiteten
zusammen, um Menschen einzuladen, ihr Leben Jesus zu übergeben, und wurden
dabei Freunde. In meiner Erinnerung sehe ich ihre Gesichter und höre ihre
wunderbare Musik. Ich erinnere mich an ihre Gastfreundschaft und
Liebenswürdigkeit. Wir konnten die Entwicklung der Hope Media Group mit ihrem
wunderbaren Team von Anfang an mitverfolgen. Wenn ich in den Nachrichten Orte
in Kiew, Lemberg oder Czernowitz sehe, erkenne ich Plätze wieder, zu denen wir
von Freunden mitgenommen wurden, um die Sehenswürdigkeiten zu sehen. Ich sehne
mich danach zu hören, wie es ihnen geht. Mein Herz geht an alle
Kirchenmitglieder in der Ukraine, die sich so sehr bemühen, ihren Freunden von
Jesus zu erzählen. Ihre Liebe zu ihren Nachbarn hat etwas bewirkt und viele
Menschen zu Christus geführt.
Wir wissen
nicht, was jetzt geschehen wird. Die Ukraine ist der russischen Aggression
schutzlos ausgeliefert. Die Sympathien der meisten Menschen in der Welt sind
mit den tapferen Menschen in der Ukraine. Worte der Unterstützung sind jedoch
nicht genug. Aber die Welt ist nicht bereit für einen dritten Weltkrieg. Und
doch, wer weiß? Die Welt wird nicht mehr dieselbe sein, egal was mit der
Ukraine passiert. Nichts wird mehr so sein wie vorher.
Die
offizielle deutsche Politik ist es, keine Waffen in Kampfgebiete zu liefern.
Die Regierung hat sich aus naheliegenden historischen Gründen verpflichtet
gefühlt, diese Haltung beizubehalten. Der Druck der letzten Tage hat gezeigt,
dass diese Politik nicht mehr zu halten war. In einer Sondersitzung des Bundestages
am 27. Februar erklärte Außenministerin Annalena Baerbock, warum:
" Vor
wenigen Wochen noch habe ich hier in diesem Saal zum Thema Waffenlieferungen
gesagt, dass man eine Entscheidung für eine außenpolitische 180-Grad-Wende im
richtigen Moment und bei vollem Bewusstsein treffen muss. Jetzt ist - so
traurig das ist - der Moment dafür. Wir haben es bis zur letzten Minute mit
Diplomatie versucht. Der Kreml hat uns hingehalten, belogen und sich all dem
verweigert, wofür wir bisher als Europäerinnen und Europäer eingestanden haben.
Putin wollte diesen Krieg – ‘whatever it takes.‘" [2]
Bundeskanzler
Scholz erläuterte den Politikwechsel in einer 29-minütigen Regierungserklärung:
"Wir
müssen die Ukraine in dieser verzweifelten Lage unterstützen. Das haben wir
auch in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren in großem Umfang getan. Aber
mit dem Überfall auf die Ukraine sind wir in einer neuen Zeit. In Kiew, in
Charkiw, Odessa oder Mariupol verteidigen die Menschen nicht nur ihre Heimat.
Sie kämpfen für Freiheit und ihre Demokratie. Für Werte, die wir mit ihnen
teilen. Als Demokratinnen und Demokraten, als Europäerinnen und Europäer stehen
wir an ihrer Seite – auf der richtigen Seite der Geschichte!" [3]
Für uns in
Europa ist die Ukraine gar nicht so weit weg, nur etwa 2 Stunden mit dem
Flugzeug. In Berlin sind am Sonntag, am vierten Tag der Kampfhandlungen, etwa
100.000 Menschen vieler Nationalitäten auf die Straße gegangen, um gegen den
Krieg zu protestieren. Auch in Russland gehen Menschen auf die Straße, um ihren
Widerstand gegen den Krieg zu zeigen und riskieren dabei, festgenommen zu
werden. In vielen Ländern der Welt gibt es große ukrainische Gemeinden, und die
Menschen sind besorgt über das, was dort geschieht. Die Entfernung macht ihre
Angst nicht kleiner.
Besonders beeindruckt
hat mich ein Aufruf von 60 Schülerinnen aus der Demokratischen Republik Kongo, um
den Frieden zu erhalten: "Wir kennen den Krieg, lasst nicht die Waffen sprechen!"
Sie appellierten an Europa, alles zu tun, um einen Krieg in der Ukraine zu
verhindern. "Liebe, Zuhören und Dialog: Das ist der wahre Weg, um
Konflikte zu lösen", forderten die Mädchen aus dem kriegsgeplagten
zentralafrikanischen Land. In ihrem
Appell schilderten sie weiterhin aus eigener Erfahrung die Auswirkungen des Krieges.
"Im Krieg verlieren wir unsere Eltern, Brüder und Schwestern, unser Hab
und Gut und unser Leben. Im Krieg haben viele von uns ihre Großeltern verloren,
die uns heute vielleicht lehren könnten, wie wir durchs Leben kommen. Frauen
werden zu Witwen, Männer zu Witwern, Kinder zu Waisen, Eltern verlieren ihre
Kinder. Viele Kinder haben ihre Familien nie kennengelernt; sie haben kein
Zuhause, leben auf der Straße und haben noch nie eine Schule von innen
gesehen.“ Sie schlossen ihren Appell mit den Worten: "Wir bitten euch aus
Liebe zu Gott, unserem Schöpfer: versucht euch zu versöhnen, vergesst, was euch
trennt, legt die Waffen nieder“, so ihre abschließende Bitte. „Es gibt viele
Möglichkeiten, Kompromisse zu schließen, ohne in den Krieg ziehen zu müssen. Wir
sind alle Geschwister: Warum sollten wir einander verletzen wegen dieser Welt,
die ohnehin vergehen wird? Diese Erde gehört uns nicht: Früher oder später
werden wir sie verlassen. Schätzen wir das kostbare Geschenk, das Gott uns
gemacht hat: das Leben!“[4]
Diese
kongolesischen Schulmädchen haben so recht. Die Menschen in Russland und der
Ukraine sind eng miteinander verbunden, sie sind wie Brüder und Schwestern. Es
gibt keinen Grund, warum sie nicht in Frieden miteinander leben könnten. Wir
erleben, wie ein wahnhafter Diktator seinen wahren Charakter entlarvt. Alle
diplomatischen Bemühungen der führenden Politiker der Welt in den letzten
Wochen konnten Putin nicht umstimmen.
Wir haben um
Gottes Eingreifen gebetet, um einen Krieg zu verhindern. Jetzt bitten wir Gott,
diesen Krieg zu beenden und das ukrainische Volk und seine tapferen Menschen zu
schützen. Wir beten für die fliehende Bevölkerung. Wir bitten Gott, diejenigen
zu trösten, die geliebte Menschen verloren haben oder verwundet wurden. Wir
danken Gott für die Art und Weise, wie Menschen anderen helfen und sich um die
Tausenden kümmern, die die Grenzen überqueren, um Sicherheit zu finden. Lasst
uns gemeinsam als Gottes Kinder auf der ganzen Welt unseren Schwestern und
Brüdern in dieser schwierigen Situation beistehen.
Wir ringen
mit vielen Fragen, die mit "Warum?" beginnen, und finden keine
zufriedenstellenden Antworten. Wir sind beunruhigt. Wir fragen uns, wie der
Friedefürst die Situation in dieser entgleisten Welt in den Griff bekommen
wird. Er ist der Einzige, der die Dinge ändern kann. Vielleicht sind wir
wirklich an einem Punkt in der Weltgeschichte angelangt, an dem wir diese Erde
verlassen müssen. Wir müssen einfach darauf vertrauen, dass Gott mit uns sein
wird, was auch immer geschieht. Eines Tages wird er unser Chaos beenden und
einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen.
In der
Eröffnung seiner Regierungserklärung wies Bundeskanzler Scholz darauf hin, wie
der Einmarsch in der Ukraine die Welt verändert hat. Wir wissen nicht, wie sie
am Ende aussehen wird, aber "das bedeutet, dass die Welt danach nicht mehr
dieselbe ist wie die Welt davor". Wie sehr wir es uns auch wünschen mögen,
wir werden unsere Welt nicht so zurückbekommen, wie sie war.
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