Wir wollen Frieden
Dass
russische Soldaten die Bevölkerung in den besetzten Gebieten der Ukraine
kontrollieren und bedrohen ist schlimm, aber bei einem Krieg erwarten wir
schlimme Dinge. Die Menschen, die jeden Tag mit dem Risiko leben, verhaftet,
gefoltert, erschossen, vergewaltigt oder verschleppt zu werden haben große
Angst. Wer fliehen kann, flieht, und riskiert bei der Flucht genau das, wovor
er flieht. Solche Traumata begleiten sie ein Leben lang.
Ich habe
viele Bücher gelesen über die Schicksale der Menschen während des zweiten
Weltkrieges. Manches konnte ich kaum ertragen, aber es handelte von
Erlebnissen, die lange zurücklagen. Solche Dinge können doch heute nicht mehr
geschehen? Bei uns in Europa? Wir haben doch gelernt, dass Gewalt und Kriege
keine Probleme lösen, sondern neue Probleme schaffen. Und dann kam der 24.
Februar 2022 und bewies das Gegenteil. Seitdem dreht sich alles um den Krieg
in der Ukraine und um die sinnlose und brutale Zerstörung von Menschenleben und
Infrastruktur.
Weil wir in
Europa seit mehr als 75 Jahren in Frieden leben, haben wir den Gedanken an
Krieg verdrängt. Wir haben die Kriege nicht so richtig wahrgenommen. Ach ja, da
gab es doch den Balkan-Krieg und in Bosnien wurde um Sarajewo 4 Jahre lang
gekämpft. Nun bauen sie Musikinstrumente aus dem Schrott und versuchen, ihre
Traumata zu bewältigen. Und dann gab es Srebrenica und die vielen
vergewaltigten Frauen. Wie mag es ihnen nun gehen? Es ist schon so lange her.
Was ist mit den Kindern, die dabei gezeugt wurden?
Dann blicken
wir ein wenig weiter in den Süden. Der Genozid in Rwanda und Burundi war noch
schlimmer. Warum hat da die Welt tatenlos zugesehen? Wie konnten Menschen sich
gegenseitig umbringen nur, weil sie einem anderen Stamm angehören? Wir, die wir
das aus der Entfernung beobachteten, konnten es nicht fassen. Aber wie mag es
denen gehen, die die Massaker überlebt haben? Wie kann ein Volk nach einer
solchen Tragödie Versöhnung miteinander erleben? Es sind die Frauen in Rwanda
die das in die Hand genommen haben.
Seit zwanzig
Jahren ist der Osten der Demokratischen Republik Kongo nicht zur Ruhe gekommen.
Wir hören kaum noch etwas von den Konflikten die dort immer wieder aufflammen.
Marodierende Rebellenbande durchstreifen die Urwälder und greifen die
Zivilbevölkerung an, morden, vergewaltigen und rauben. Das neue Buch von Dr.
Denis Mukwege, Die Stärke der Frauen: Wie
weibliche Widerstandskraft mich lehrte, an eine bessere Welt zu glauben ist ein dringender Appell des
Friedensnobelpreisträgers, sexuelle Gewalt nicht länger hinzunehmen. (Das Buch
erscheint am 26. April 2022 auf Deutsch).
Darin beschreibt er, wie die Frauen, trotz allem was sie erleben, nicht
aufgeben. Erst wenn wir solche Berichte lesen, in denen die Gräueltaten
beschrieben werden, verstehen wir wie schrecklich die Lage in Kriegsgebieten
ist, besonders für Frauen und Kinder.
Es gibt noch
weitere Konflikte auf der Welt, die erwähnt werden könnten, bei denen ähnlich
schlimme Dinge passieren. Nun hat uns der Angriff auf die Ukraine alles
nähergebracht. Die begangenen Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit haben
uns erschüttert. Es hilft nicht, wenn wir die Augen davor schließen. Wir müssen
unser Schweigen brechen und für die Schwachen einstehen. Die Gewalt muss ein
Ende haben. Nicht nur die Gewalt gegen Frauen und Kinder, sondern gegen alle
Menschen, die es erleben.
Heute ist ein
25. Tag des Monats. Ich trage orangefarbige Kleidung, um ein Zeichen zu setzen.
An Donnerstagen sollte ich schwarz tragen, um ein Zeichen gegen Vergewaltigung
als Kriegswaffe zu setzen (https://www.die-kongo-kampagne.de/de/).
Bald hat jede Farbe des Regenbogens in der Kleidung irgendeine Bedeutung und
ein Anliegen, für das man sich einbringen sollte. Ich weiß nicht, ob es etwas
bringt. Ich fühle mich so hilflos, weil ich nichts tun kann, um die
schrecklichen Dinge, die in der Welt passieren, zu beenden. Ich unterstütze die
Initiative enditnow® und will, dass Gewalt jetzt ein Ende findet. Wenn es nach
uns Frauen ginge, gäbe es keine Kriege. Die Welt braucht in der Tat eine
feministische Außenpolitik die zum Frieden führt.
Im Oktober
2021 schrieb Janine di Giovanni, Kolumnistin für globale Angelegenheiten bei
FP:
“In Aristophanes' Komödie Lysistrata aus dem fünften Jahrhundert vor Christus
entdecken die Frauen des antiken Athen und Sparta einen genialen Weg, den Krieg
zwischen den beiden Stadtstaaten zu beenden. Sie verweigern ihren Männern den
Sex, bis die Krieger den Kampf einstellen und sich zusammensetzen, um sich zu
einigen. Es ist möglicherweise der originellste und effektivste
Friedensprozess, der je ersonnen wurde.
“Auch, wenn Aristophanes' Methode nicht unbedingt geeignet ist, um
moderne Kriege zu beenden, wie die, die immer noch in Syrien und in der
äthiopischen Tigray-Region wüten, gilt das allgemeine Konzept immer noch:
Frauen verfügen oft über einzigartige Fähigkeiten und Macht, wenn sie
verhandeln oder sich an den Verhandlungstisch setzen, um Konflikte zu beenden.
Doch warum sind so wenige Frauen an Friedensprozessen als Verhandlungsführerinnen,
Vermittlerinnen, Organisatorinnen von Gemeinschaften oder Vermittlerinnen von
so genannten Track-2-Dialogen beteiligt - weit weniger als in vielen anderen
Bereichen der Politik? Warum werden Fragen von Krieg und Frieden immer noch
fast ausschließlich Männern überlassen?“ [1]
Frauen,
Friede und Sicherheit sind Themen die immer wieder diskutiert werden, und doch
sehen wir wenige Frauen in führenden Positionen, wenn es um
Friedensverhandlungen geht. Dort, wo sie involviert sind, wird der Friede
länger erhalten.
“Ein vielfältigerer Beitrag zu Friedensprozessen kann sich nur positiv
auswirken. Schließlich sind Frauen in der Regel nicht die Kämpferinnen, sondern
diejenigen, die die Scherben einer zerrütteten Gesellschaft aufsammeln. Sie
wissen, was getan werden muss. Sie wissen, wie man heilt und wie man gebrochene
Menschen wieder zusammenfügt.“[2]
Wer wird in
der Ukraine die Familien wieder zusammenführen und heilen? Wer sorgt dafür,
dass das Zerstörte wiederaufgebaut wird? In Deutschland waren es die Trümmerfrauen,
die nach der Zerstörung durch den Krieg dafür sorgten, dass das Leben
weitergehen konnte. Im Kongo sind es die Frauen, die nicht aufgeben, für
Frieden zu kämpfen und die zerstörten Dörfer wiederaufbauen. Frauen wissen, wie
schwer das alles ist und tun es doch. Frauen sind stark. Auch in der Ukraine
wird viel davon abhängen, dass die Frauen die Gesellschaft zusammenhalten. Wir
sollten auf sie hören und mit ihnen für den Frieden und ein Ende der Gewalt
einstehen.
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