Vererbung

 

Das Platinjubiläum von Königin Elisabet II. rückt näher und die Menschen in Großbritannien freuen sich auf einen zusätzlichen Feiertag und verschiedene Feierlichkeiten zum Gedenken an die Herrschaft ihrer Monarchin. Als junge Frau versprach Elisabet, ihrem Land und dem Commonwealth so lange zu dienen, wie sie lebt, und sie ist nun seit siebzig Jahre Königin, länger als alle Regenten der britischen Geschichte. Allerdings war dies keine Rolle, die sie angestrebt hatte. Sie trat in die Fußstapfen ihres Vaters, des widerwilligen Königs, und nahm ihre Berufung mit allem, was sie mit sich brachte, aus Pflichtgefühl an. Die Erbfolge als Königin veränderte ihr ganzes Leben. Und mit 96 Jahren ist sie immer noch dabei.

Viele Siebenten-Tags-Adventisten (SDA) wurden in ihre Kirche hineingeboren und haben den Glauben angenommen, den sie von ihren Eltern übernommen haben. Generationen von Adventisten haben ihrer Kirche aus einem Pflichtgefühl heraus gedient, das ihnen durch die große missionarische Herausforderung vermittelt wurde. Der gleiche missionarische Geist, der den Apostel Paulus dazu brachte, dem Dienst und der Evangelisation in seinem Leben Priorität einzuräumen, motiviert sie.[1]  Ihr Leben wurde durch ihr Engagement Kirche beeinflusst und verändert. Viele haben ihr ganzes Leben lang gedient.

Es ist ein Zufall, dass die Jubiläumsfeierlichkeiten der Königin und die nächste Vollversammlung der Generalkonferenz (GK) der Siebenten-Tags-Adventisten (STA) in St. Louis Anfang Juni 2022 nur ein paar Tage auseinanderliegen. Für beide Ereignisse wurden umfangreiche Vorbereitungen und Planungen getroffen. Beide Ereignisse sind für ihre Anhänger von großer Bedeutung. Die Generalkonferenz ist eine Versammlung der Leiter einer Kirche, die weltweit mehr als zwanzig Millionen Mitglieder zählt. Ich frage mich, wie es wohl wäre, in einer Nation dieser Größe zu leben, die nur aus Mitgliedern der STA bestünde. Es muss für den Leiter einer solchen Kirche verlockend sein, sich als Präsident der Weltkirche zu betrachten, anstatt als gewählter Leiter der Organisation (GK), die aus einem weltweiten Verwaltungsnetz besteht.

Ich hatte die Gelegenheit, an Veranstaltungen teilzunehmen, bei denen ich die Königin gesehen habe. Dass ich in England aufgewachsen bin hat mich sicherlich dahingehend beeinflusst, dass ich ihre Rolle als unparteiisches, unpolitisches Staatsoberhaupt zu schätzen gelernt habe. Während ihrer Regentschaft hatte sie 14 britische Premierminister und viele weitere politische Führer des Commonwealth unterschiedlicher politischer Couleur. Sie hat die Dinge zusammengehalten, indem sie nicht versucht hat, zu dominieren. Natürlich gibt es Leute, die die Monarchie abschaffen wollen, aber bisher hat sie gute Dienste geleistet und das Vereinigte Königreich zusammengehalten. Die Frage, inwieweit eine royale Dynastie in der heutigen Zeit noch von Bedeutung ist, wird sich jedoch erneut stellen, sobald der Pomp und die Feierlichkeiten des Platin-Jubiläums abgeklungen sind. 

Ich hatte auch die Gelegenheit, an einigen Vollversammlungen der Kirche der STA teilzunehmen. Es war erbaulich, gemeinsam mit vielen Glaubensgeschwistern Gott anzubeten. Solche Treffen haben mich und viele andere motiviert, Gott in dieser Kirche zu dienen. Den Präsidenten der Generalversammlung zu sehen, ist vielleicht nicht so aufregend wie die Königin zu sehen, aber früher war es etwas Besonderes, daran teilnehmen zu können. Doch immer mehr Kirchenmitglieder sind desillusioniert und fragen sich, wie relevant die Kirche in der heutigen Zeit noch ist. Vor allem der restriktive Kurs des derzeitigen Präsidenten führt dazu, dass die Generalkonferenz für die Kirchenmitglieder an der Basis immer irrelevanter wird. Er ist kein unparteiisches, unpolitisches Oberhaupt der Organisation, sondern eher jemand, der versucht, die Dinge durch Druck zusammenzuhalten.

Wie viele Adventisten, die ihren Glauben von früheren Generationen geerbt haben, glaube ich immer noch an das, was Gott durch seine Liebe und sein Opfer in mein Herz gelegt hat. Wir haben Gott und der Kirche gedient, aber wir sind von der menschlichen Seite der Kirchenorganisation desillusioniert. Wir fragen uns: "War das alles vergebliche Mühe?" Ich glaube, dass ich zu den vielen gehöre, die das Interesse daran verlieren, was "die da oben" so treiben. Wenn wir anfangen, über "sie" und "wir" nachzudenken, hat unsere Identifikation mit einer Bewegung ihren Schwung verloren. Teilnehmer und Beobachter werden an der GK-Sitzung teilnehmen, persönlich oder online. Unsere Identifikation und Beteiligung wird durch die Wahl der Kategorie bestimmt, in der wir uns selbst sehen. Ich denke, dass dies den Verantwortlichen Anlass zur Sorge geben sollte.

Es ist an der Zeit, dass die Kirche erkennt, dass Gott die Leitung seiner Kirche nicht in die Hände einer einzigen Dynastie gelegt hat. Die Leitung der Kirche sollte nicht vererbbar sein. Gott hat das alttestamentliche Volk Israel vor den Gefahren und Folgen eines Königs gewarnt. In jüngerer Zeit warnte Gott seine Kirche durch eine Frau, die er als seine Botschafterin einsetzte, dass ihre Leitung keine "königliche Macht"[2] ausüben sollte.  Wenn wir wollen, dass die Kirche überlebt, muss sie für ihre Mitglieder und die Welt, der sie dienen soll, relevant werden. Sie muss wieder das Gefühl von "Wir, das Volk" schaffen.

Die Vollversammlung der Generalkonferenz wird wahrscheinlich wieder eine große Feier des Fortschritts der Kirche sein, bei der die verschiedenen Regionen Berichte über die großen Dinge vorlegen, die getan wurden. Die Kirche wird sich selbst feiern, als ob es keine Notwendigkeit gäbe, Rechenschaft über die Richtung abzulegen, in die sie sich bewegt. Menschen werden in ihre Ämter gewählt und das Kirchenhandbuch wird erneut überarbeitet und verschärft. Die Delegierten werden die Möglichkeit haben, abzustimmen, ohne die Hoffnung zu haben, wesentliche Änderungen an der derzeitigen Politik vornehmen zu können. Bis auf weiteres werde ich das Geschehen in St. Louis beobachten, aber nicht mehr wirklich daran teilnehmen.



[1] 2 Kor 5,14  Denn die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben, dass einer für alle gestorben ist und so alle gestorben sind. Lu17

[2] Ellen G. White, Testimonies for the Church (Mountain View, Calif.: Pacific Press Pub. Assn., 1948), vol. 8, p. 232. “In the work of the Lord in these last days, there should be . . .  no kingly power.”

Photo: Danbury Mint

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